2015 Aachen – Europa

Ein Jahr lang haben wir mit 20 Menschen an einer gehäkelten, gestrickten, genähten, gestickten – kurz: an einer textilen Europakarte gearbeitet.

Das Label aachenstricktschön – eine Kooperation des Wollladens Görg und mir von 2011-2021 – war die Plattform aus der heraus diese Idee gemeinsam mit der Stadt Aachen geboren werden konnte. Über den Karlspreis in Aachen mag gedacht werden, was will. Das Thema Europa aber geht uns alle an.

Und so kam es, dass ich mir viele Gedanken über die Darstellungsweisen Europas gemacht habe. Keine Abbildung einer unebenen Kugel oder eines Ausschnittes davon kann die Wirklichkeit wiedergeben. Jeder Abbildung müssen zwangsläufig Verzerrungen innewohnen. Bei unserer Karte sind die Verzerrungen am deutlichsten bei der Anfertigung des Landes Polen hervorgetreten.

Die Karte ist so konzipiert, dass jedes Land einzeln gehäkelt werden konnte von einer*m aus unserem zeitweise 20-köpfigen Team. Und auch die verschiedenen Höhenlangen wurden einzeln angefertigt und anschließend alle Teile wie bei einem Puzzle – nur auch übereinander – mit Nadel und Faden zusammengefügt. Ich habe darauf verzichtet die Landesgrenzen sichtbar zu markieren. Alle Ländern sind separat aufgenäht worden auf den Untergrund. Aber sie sind nicht sichtbar voneinander getrennt. Es ist bewusst eine topographische Karte Europas, die aber in dieser Form der Entstehung nicht ohne Landesgrenzen auskam oder auskommen wollte…

Die Hauptstädte sind ihrer Einwohner*innenzahl entsprechend im Verhältnis zueinander in der Größe dargestellt und – ihrer Form nachempfunden – aufgestickt. Es sind verdammt viele Hauptstädte und wenn ich heute nach den Namen aller 44 Hauptstädte gefragt würde, müsste ich passen. Obwohl ich mich mit diesem Thema wirklich sehr lange beschäftigt habe…

Der Prozess der gemeinsamen Anfertigung dieser Europakarte war in Bezug auf die Herstellung eines Kunstwerks sehr lehrreich. Alleine hätte ich daran wahrscheinlich Jahre gesessen und wie ich mich kenne hätte ich die Lust auf halber Strecke verloren, weil die Dauer des Projektes keinen Zugewinn an intellektueller oder künstlerischer Herausforderung bedeutet hätte.

Aber als partizipatives Projekt hat das Ganze Sinn gemacht. Wir haben uns regelmäßig getroffen und Themenabende veranstaltet bei denen wir an der Karte gearbeitet haben. Wir hätten zu diesen Abenden noch Menschen aus den Kulturkreisen der entsprechenden Länder einladen können und sollen. Das wäre ein noch größerer Gewinn gewesen, als „nur“ das Wissen von uns Aachener*innen kursieren zu lassen.

Meine Überlegungen zum Thema Partizipation in Kunstprojekten haben einen ordentlichen Dämpfer erhalten in diesem einen Jahr. Niemand aus der Gruppe außer mir hatte die Zeit und das Interesse daran sowohl das Thema Europa gründlich zu durchdringen als auch an der Gesamtgestaltung mitzuwirken.

So stellt sich mir im Nachhinein die Frage nach der Autor*innenschaft und nach der korrekten Verwendung des Begriffs Partizipation. Mal ganz abgesehen davon, dass das Label aachenstricktschön auch ein Marketing-Format des Wollladens war. Meine Bemühungen diesem Marketing-Format einen kollaborativen und sinnhaften Charakter über die Kooperation mit mir als Künstlerin und die Vermarktung hinaus zu geben hat an vielen Stellen gefruchtet. Aber nie zu meiner vollkommenen Zufriedenheit und im Sinne des Begriffs „Commoning Art“, der mich heute viel mehr interessiert, als partizipative Projekte von denen nicht gesagt werden kann, dass sie es tatsächlich im engeren Sinne des Wortes sind.

Nichts destotrotz ist diese textile Europakarte sehens- und fühlenswert und die Bande, die zwischen Produzent*innen damals geknüpft wurden, tragen teilweise heute noch! Die Europakarte hängt seit 2015 als Dauerleihgabe im Europäischen Klassenzimmer des Grashauses in Aachen und ist fester Bestandteil aller Führungen und Workshops. Sie darf angefasst werden und die Topographie Europas ist so auch schon für blinde Menschen zugänglicher geworden.

Ich würde mich freuen, wenn diese Europakarte einmal auf Wanderschaft gehen würde. Durch die EUREGIO Maas-Rhein, durch Europa…in Klassenräume, in Rathäuser, Bürger*innenzentren und soziokulturelle Räume. Wer Interesse hat, meldet sich: mail@monika-nordhausen.de

Grashaus Aachen – Europäisches Klassenzimmer
Label aachenstricktschön Beiträge 2015