2022 Bielefeld – Individualität & Autonomie

„Unsere Ideen zu künstlerischen-kuratorischen Praktiken und Commoning fußen auf einem gemeinsamen Verständnis dessen, wie sich die Frage nach Individualität und Autonomie in der Kunst beantworten lässt: Weder schöpfen Künstler:innen_Kurator:innen in ihrer Arbeit nur aus sich selbst heraus, noch kann Kunst vollständig zweckfrei sein. Künstler:innen_Kurator:innen können widersprechen und stören, sie können eine größtmögliche Unabhängigkeit anstreben – doch letztlich bleibt es bei einer Autonomie-in-Bezogenheit, einer Autonomie also, die zwar auf Handlungsfähigkeit ausgerichtet, aber nicht völlig selbst-referentiell sein kann. Es ist ein Subjektverständnis vonnöten, welches wir in Kapitel 2.2. bereits angedeutet haben und das beispielsweise die Philosophen Gilles Deleuze und Felix Guattari (1992: 12; Herv. d. Verf.) in den ersten Zeilen in Tausend Plateaus mit folgenden Worten umreißen: »Wir haben den Anti-Ödipus zu zweit geschrieben. Da jeder von uns mehrere war, ergab das schon eine ganze Menge.« Die Mitglieder der Gruppe ruangrupa holen die Idee eines singulär-pluralen Subjektes (Nancy 2005) in die Gegenwart ästhetischer Praktiken: Zwar seien die an dem Kollektiv Beteiligten auch in individuelle Projekte involviert, wollen aber die Bereicherung nicht missen, die sich aus der »Überschneidung und Interdependenz von individuellem und kollektivem Erleben« (ruangrupa & Papastergiadis 2021: o.S.) ergebe.“ – schreiben die Autor*innen des Buches „Commoning Art. Die transformativen Potentiale von Commons in der Kunst.

Ich könnte hier noch weiter zitieren. Es ist ein spannendes, über das eigene Kunstschaffen nachdenklich machendes Buch. An dieser Stelle oben war ich ein wenig versöhnt mit meinen eigenen Anstrengungen einem Subjektverständnis gerecht zu werden, das davon ausgeht, dass wir alle mit allem verwoben sind und auch und gerade wenn ich Kunst als Resonanzraum betrachte.

Um diese Zusammenhänge, dieses Subjektverständnis auszuloten ist es für mich unabdingbar mit jüngeren Menschen zusammen zu arbeiten. Dies sind Grenzgänge und -übertritte, die Kommunikation zwischen den Generationen, Professionen und Lebensgestaltungen notwendig machen. Nicht zuletzt, um tief genug zu schauen und aufzutauchen mit Impulsen und Erkenntnissen der vielen, die ich selber bin – und die wir zusammen sein können.

Vera Hofmann, Johannes Euler, Linus Zurmühlen, Silke Helfrich: Commoning Art. Die transformativen Potentiale von Commons in der Kunst. transcript Verlag, Bielefeld, 2022.